Es gibt diesen oft zitierten Satz: „Stöcke und Steine können meine Knochen brechen, aber Worte können mir nichts anhaben.“ Die Aschaffenburger Autorin, Therapeutin und Coach Anna Gigante widerspricht – freundlich, aber entschieden. Sie zitiert ein italienisches Sprichwort: Die Zunge habe zwar keine Knochen, könne aber Knochen brechen. Worte, sagt sie im Gespräch, können einen Menschen „böse verletzen, und das fühlt der andere auch körperlich.“
Genau um diese Macht der Sprache geht es in ihrem Buch „Heilungssprachen“, einer überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe ihres 2020 erschienenen Titels „Meine ersten Heilungssprachen und Unheilsprachen“. Das neue Buch versammelt nun 66 „Sprachen“, also Haltungen, Muster und Ausdrucksweisen, die unser inneres und äußeres Leben prägen – und uns entweder krank machen oder heilen können. Es ist das Ergebnis eines mehr als 30-jährigen persönlichen und beruflichen Weges, wie Gigante im Vorwort schreibt.
Heilungssprachen und Unheilsprachen – Grundidee des Buches
Gigantes zentrale These ist einfach, aber weitreichend:
Unsere Art zu sprechen – mit anderen und mit uns selbst – wirkt direkt auf unser Wohlbefinden und unsere seelische Gesundheit. Heilung beginnt dort, wo innere Haltung und äußere Sprache
übereinstimmen.
Der Weg dorthin ist nach ihrer Auffassung zweistufig:
- Zuerst die Unheilsprachen entdecken – also die Muster, mit denen wir uns selbst schaden: Co-Abhängigkeit, Angst, Negativität, Manipulation, Grenzüberschreitungen, Voyeurismus, Sucht, Energie-Vampirismus oder die zerstörerische Macht von Krieg und Gewalt.
- Dann die eigenen Heilungssprachen wiederfinden – etwa Authentizität, Dankbarkeit, Positivität, Selbstbewusstsein, Demut, Fragen stellen, Schweigen, Liebe, Spiritualität, Frieden, Verantwortung.
Das Ziel nennt sie „Kongruenz im persönlichen Ausdruck“: Die innere Sprache – Gedanken, Gefühle, Glaubenssätze – soll mit der äußeren Sprache, also Worten, Gesten und Handlungen, übereinstimmen.
Wie das Buch aufgebaut ist
„Heilungssprachen“ ist kein klassisches Sachbuch, sondern bewusst
als Arbeitsbuch angelegt – und dafür erstaunlich klar strukturiert. Die 66 „Sprachen“ sind in thematische Blöcke gegliedert, etwa:
- Soziale Interaktion (z. B. Co-Abhängigkeit, Grenzüberschreitungen, Sexualität, Rat-Schläge, Voyeurismus)
- Die äußere Erscheinung (Augen, Masken, Mode)
- Das innere System (Angst, Dankbarkeit, Negativität, Positivität, Selbstbewusstsein, Wahrheit, Widersprüche)
- Die verbale Sprache (Modalverben, überhaupt reden, Redewendungen und Sprichwörter, Schreien, Worte und Wörter)
- Auf dem Weg zur Heilungssprache (Authentizität, Demut, Fragen stellen, förderliche Glaubenssätze, Schreiben)
- Hindernisse (Ab-Lenkungen, Aus-Reden, Beschwichtigen, hemmende Glaubenssätze, Ignorieren, Prostitution im übertragenen Sinn, Rationalisieren, Unverbindlichkeit, Urteilen)
- Die größten Unheilsprachen (Beziehungslosigkeit, Krieg, Manipulation, religiöser Missbrauch und sexuelle Übergriffe, Sucht, Energie-Vampirismus)
- Die wichtigsten Werkzeuge (Coaching/Therapie/Beratung, Frieden, Intuition, die Sprache der Kinder, Liebe, Religiosität, Scheitern, Schweigen, Spiritualität, Verantwortung, Zufälle, Zuhören)
- sowie ein abschließender Teil mit klassischen Texten wie den Zwölf Schritten, dem Gelassenheitsgebet und dem Vaterunser als „Bewusstseinsgebet“.
Jedes Kapitel folgt einem ähnlichen Muster:
- Einstieg mit einer Beobachtung, Geschichte oder einem Zitat
- persönliche Reflexion der Autorin
- klare Unterscheidung: Wann wird diese „Sprache“ heilend, wann zerstörerisch?
- und zum Schluss konkrete Fragen an den Leser, die zur Selbstreflexion einladen.
Ein Arbeitsbuch im wörtlichen Sinn
Wer dieses Buch nicht nur überfliegt, sondern wirklich nutzt, arbeitet damit – und zwar an sich selbst. Gigante schlägt im
Vorwort sogar eine kleine Routine vor: Morgens ein Kapitel lesen, tagsüber Beobachtungen dazu machen, abends die Antworten auf die Fragen aufschreiben.
Damit wird „Heilungssprachen“ zu einer Art Tagesbegleiter. Man kann sich gezielt die Themen vornehmen, die gerade „dran“ sind: Co-Abhängigkeit, Grenzen, Angst, Krankheit, Negativität, aber auch Authentizität, Positivität oder Selbstbewusstsein.
Viele Kapitel enden mit sehr direkten Fragen wie:
- „Wo haben Sie Grenzüberschreitungen erlitten?“
- „Von welchen Krankheiten sind Sie bereits geheilt?“
- „Welche negativen Wörter oder Sätze haben Sie schon benutzt?“
Wer hier ehrlich schreibt, kommt fast automatisch an biographische Kernthemen heran.
Im ZAAVV-Interview bringt die Autorin den Nutzen für den Leser
auf eine knappe Formel:
„Wer zu sich selbst eine gute Beziehung haben möchte, für den ist dieses Buch richtig.“
Sprache weit gefasst: von Social Media bis „Prostitution“
Spannend ist, wie weit Gigante den Begriff „Sprache“ fasst. Es geht nicht nur um Wörter, sondern um Lebenshaltung, um das, was
wir senden und empfangen – bewusst wie unbewusst.
Einige Beispiele:
- „Daten-Schutzlosigkeit“: ein kritischer Blick auf soziale Netzwerke, in denen Privatsphäre, Taktgefühl und Verschwiegenheit erodieren, während der Begriff „Freunde“ immer stärker verwässert wird.
- „Masken“: die Rollen, hinter denen Menschen sich verstecken – aus Angst, aus Höflichkeit, aus Co-Abhängigkeit. Authentizität bedeutet für sie: die Freiheit, „weder Masken noch Lügen nötig zu haben“.
- „Krankheit“: kann zur Identität werden, wenn man sich in ihr einrichtet, statt Verantwortung für Genesung zu übernehmen. Gigante plädiert für einen aktiven, mehrgleisigen Weg aus der Krankheit, der auch psychische Ursachen ernst nimmt.
- „Negativität“ und „Positivität“: Sie stellt typische negative Glaubenssätze („Ich habe immer Pech“, „Die Welt ist schlecht“) positiven Affirmationen gegenüber („Ich begegne guten Menschen“, „Ich vertraue mir, ich vertraue anderen“) und betont: Positivität und Dankbarkeit seien „der Schlüssel für ein gutes Leben“.
Besonders pointiert ist das Kapitel „Prostitution“. Damit meint die Autorin weniger die kommerzielle Sexualität, sondern Situationen, in denen Menschen gegen ihre Überzeugung handeln, meist für Geld oder Prestige – etwa im Beruf, wenn sie etwas vertreten müssen, das sie innerlich ablehnen. Für sie ist das eine Unheilsprache: eine Form des Selbstverrats, die auf Dauer krank macht.
Tonfall: persönlich, spirituell, manchmal unbequem
„Heilungssprachen“ ist kein neutrales Fachbuch. Es ist durch und durch persönlich:
- Gigante schreibt offen über eigene Süchte, Co-Abhängigkeit und Lernprozesse.
- Sie bezieht sich auf christliche Spiritualität, spricht von Gott als „Höherer Macht“ und zitiert Gelassenheitsgebet, Zehn Gebote und Zwölf Schritte.
- Sie argumentiert nicht psychologisch-theoretisch, sondern aus Erfahrung: als Coach, Therapeutin, Mutter, gläubige Frau und Querdenkerin im ursprünglichen Wortsinn.
Dabei ist der Ton klar, direkt und manchmal streng. Wenn sie etwa über „Rat-Schläge“ schreibt – bewusst mit Bindestrich –, entlarvt sie ungefragte Ratschläge als Grenzverletzungen, hinter denen oft eigene Unzufriedenheit steckt.
Gleichzeitig zeigt sich immer wieder Humor (etwa bei Modefragen) und eine spürbare Wärme für Menschen, die ringen und scheitern. Der Leser merkt: Hier schreibt jemand, der eigene Abgründe kennt und sich die Moralkeule verkniffen hat.
Für wen eignet sich das Buch?
Wer ein nüchternes, akademisches Werk über Kommunikation erwartet, liegt hier falsch. „Heilungssprachen“ ist eher eine
Mischung aus Erfahrungsbuch, Lebensschule und spirituellem Werkzeugkasten.
Gut aufgehoben sind Leser, die:
- bereit sind, ehrlich auf die eigenen Muster zu schauen,
- mit religiöser Sprache und der Rede von Gott umgehen können oder sie zumindest tolerieren,
- gern mit Fragen und Schreibübungen arbeiten, statt nur „Tipps“ zu konsumieren,
- in Beratung, Seelsorge, Ehrenamt, Journalismus, Pädagogik oder Coaching mit Menschen zu tun haben – also selbst viel sprechen, zuhören und übersetzen. Gerade als Arbeitsbuch funktioniert „Heilungssprachen“ überzeugend: Man kann es von vorne nach hinten lesen, aber auch wie ein Nachschlagewerk nutzen und einzelne „Sprachen“ gezielt heraussuchen – etwa, wenn im eigenen Leben gerade Grenzen, Angst, Krankheit oder Authentizität besonders Thema sind.
Fazit
Mit „Heilungssprachen“ legt Anna Gigante ein kompakt strukturiertes, aber inhaltlich dichtes
Arbeitsbuch vor, das Leser nicht schont, sondern in Bewegung bringen will. Es zeigt, wie subtil wir uns mit Worten, Haltungen und unausgesprochenen Glaubenssätzen selbst sabotieren –
und wie eine bewusste, wahrhaftige Sprache Schritt für Schritt mehr Freiheit, Frieden und Selbstachtung ermöglichen kann.
Oder in den Worten der Autorin: Wer sich nicht länger ablenken will, sondern „zu sich selbst eine gute Beziehung haben möchte“, findet in diesem Buch reichlich Stoff – zum Nachdenken, Aufschreiben, Üben und, ja: zum Heilen.
Anm.d.Red.: Das neue Buch von Anna Gigante können Sie direkt
bei der Autorin erwerben und damit ihre Heilungsarbeit direkt unterstützen: bestellungen@anna-gigante.de
klartext-rheinmain.de
